Ausgabe vom 16. April 2024
57/2024   EuGH: Begriff des immateriellen Schadens bei Art. 82 DSGVO (Urteil vom 11.04.2024, C-741/21)
 Art. 82 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass ein Verstoß gegen Bestimmungen dieser Verordnung, die der betroffenen Person Rechte verleihen, für sich genommen nicht ausreicht, um unabhängig vom Schweregrad des von dieser Person erlittenen Schadens einen "immateriellen Schaden" im Sinne dieser Bestimmung darzustellen. Art. 82 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass es für eine Befreiung des Verantwortlichen von seiner Haftung nach Art. 82 Abs. 3 dieser Verordnung nicht ausreicht, dass er geltend macht, dass der in Rede stehende Schaden durch ein Fehlverhalten einer ihm im Sinne von Art. 29 der Verordnung unterstellten Person verursacht wurde. Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 ist dahin auszulegen, dass zur Bemessung des Betrags des auf diese Bestimmung gestützten Anspruchs auf Schadenersatz zum einen die in Art. 83 dieser Verordnung vorgesehenen Kriterien für die Festsetzung des Betrags von Geldbußen nicht entsprechend anzuwenden sind und zum anderen nicht zu berücksichtigen ist, dass die Person, die Schadenersatz verlangt, von mehreren Verstößen gegen die Verordnung betroffen ist, die sich auf denselben Verarbeitungsvorgang beziehen.
58/2024   BFH: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei elektronischer Übermittlung einer Rechtsmittelbegründungsschrift (Beschluss vom 13.12.2024, VII B 188/22)
 Die Überprüfung einer ordnungsgemäßen elektronischen Übermittlung einer Rechtsmittelbegründungsschrift an den Bundesfinanzhof erfordert unter anderem die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht gemäß § 52a Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung erteilt wurde. Unterlässt der Absender diese Überprüfung, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.
59/2024   OLG Rostock: Beweis des Zugangs einer einfachen E-Mail (Beschluss vom 03.04.2024, 7 U 2/24)
 Für die Annahme eines Anscheinsbeweises für den Zugang einer feststehendermaßen abgesandten (einfachen, insbesondere ohne Empfangs- oder Lesebestätigung übermittelten) E-Mail ist keine Grundlage ersichtlich. Es entspricht der Auffassung insbesondere auch der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass für den Zugang einer einfachen E-Mail allein aufgrund des feststehenden Absendens, auch in Verbindung mit dem feststehenden Nichterhalt einer Unzustellbarkeitsnachricht auf Seiten des Absenders, kein Anscheinsbeweis streitet.
60/2024   VG Weimar: Unrichtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung zur Einreichung eines Rechtsbehelfes "auf elektronischem Wege durch De-Mail" (Beschluss vom 20.04.2024, 1 E 2673/22 We)
 Die Formulierung in einer Rechtsmittelbelehrung zur Einreichung eines Rechtsbehelfes "auf elektronischem Wege durch De-Mail" ist unrichtig, da sie nur unvollständig die Möglichkeiten der Einreichung auf elektronischem Wege erfasst.
 
Ausgabe vom 09. April 2024
53/2024   BGH: Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (Beschluss vom 30.01.2024, VIII ZB 85/22)
 Zu den Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze - hier: Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA; im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 44 ff.; vom 24. Mai 2022 - XI ZB 18/21, NJW-RR 2022, 1069 Rn. 12; vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22, NJW 2023, 1668 Rn. 19 ff.; jeweils mwN).
54/2024   LArbG Berlin-Brandenburg: Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte - Art 17 DSGVO (Beschluss vom 13.03.2024, 26 Ta 223/24)
 Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen unter der Geltung des Art. 17 DSGVO ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus der papierenen Personalakte besteht, ist umstritten (vgl. zum Streitstand eingehend: Kleinebrink, ArbRB 2024, 50). Vor diesem Hintergrund kann einer Partei, die den Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte beansprucht, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe jedenfalls nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgelehnt werden. Das gelte erst recht, wenn die Abmahnung bei der Beklagten in digitalisierter Form existiert haben sollte.
55/2024   LSG Mecklenburg-Vorpommern: Klageerhebung per E-Mail (Urteil vom 21.11.2023, L 3 SB 14/23)
 Enthält die Rechtsmittelbelehrung in einem Widerspruchsbescheid u.a. den Hinweis, dass eine Klageerhebung per E-Mail an das Sozialgericht nur über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Sozialgerichts möglich ist, wird entgegen den in § 65a SGG aufgeführten Anforderungen fälschlich der Eindruck erweckt, dass eine Klage mit einer (einfachen) E-Mail erhoben werden kann.
56/2024   LG Frankenthal: Höhe des Schadensersatzes bei Filesharing von Filmen (Urteil vom 19.03.2024, 6 S 12/23)
 Die im Bereich der Musiktitel entwickelte Faktor-Berechnungsmethode ist auch auf den Bereich des Filesharings von Filmen zu übertragen. Der Faktorberechnungsmethode liegt dabei die Überlegung zugrunde, dass darauf abzustellen ist, wie häufig aufgrund der Beteiligung des Verletzers an der Tauschbörse von unbekannten Dritten auf die geschützten Titel theoretisch zugegriffen worden ist, wobei im Rahmen von Musiktiteln vom Bundesgerichtshof ein Faktor von 400 Abrufen als angemessen angesehen, während im Rahmen von Computerspielen in der Rechtsprechung bislang ein geringerer Faktor von 50 zugrundegelegt worden ist. Im Rahmen der tatrichterlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist die Kammer für den hiesigen Einzelfall der Überzeugung, dass die Zugrundelegung eines Faktors von 100 als angemessen zu erachten ist. Die Kammer geht dabei zunächst von der Prämisse aus, dass Filme aufgrund eines größeren Nutzerkreises häufiger geteilt werden als Computerspiele, weshalb grundsätzlich ein Faktor heranzuziehen ist, der größer als 50 ist.
 
Ausgabe vom 03. April 2024
49/2024   BGH: Signieren für ein Mitglied einer Sozietät (Beschluss vom 28.02.2024, IX ZB 30/23)
 Signiert ein Mitglied einer mandatierten Anwaltssozietät einen Schriftsatz, den ein anderes Mitglied der Anwaltssozietät verfasst und einfach elektronisch signiert hat, in qualifiziert elektronischer Form und reicht diesen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach bei Gericht ein, ist dies wirksam. Eines klarstellenden Zusatzes ("für") bei der einfachen Signatur des Schriftsatzverfassers bedarf es nicht.
50/2024   BGH: Seniorenwohnheim (Vorlagebeschluss vom 08.02.2024, I ZR 34/23)
 Handelt es sich bei den Bewohnern eines kommerziell betriebenen Seniorenwohnheims, die in ihren Zimmern über Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk verfügen, an die der Betreiber des Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz weitersendet, um eine "unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten" im Sinne der Definition der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG? Hat die bisher vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendete Definition, wonach die Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfordert, dass "die Wiedergabe des geschützten Werks unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein neues Publikum erfolgt, das heißt für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe seines Werks erlaubte", weiterhin allgemeine Gültigkeit, oder hat das verwendete technische Verfahren nur noch in Fällen Bedeutung, in denen eine Weiterübertragung von zunächst terrestrisch, satelliten- oder kabelgestützt empfangenen Inhalten in das offene Internet stattfindet? Handelt es sich um ein "neues Publikum" im Sinne der Definition der "öffentlichen Wiedergabe" gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG, wenn der zu Erwerbszwecken handelnde Betreiber eines Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz an die vorhandenen Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk in den Zimmern der Heimbewohner weitersendet? Ist für diese Beurteilung von Bedeutung, ob die Bewohner unabhängig von der Kabelsendung die Möglichkeit haben, die Fernseh- und Rundfunkprogramme in ihren Zimmern terrestrisch zu empfangen? Ist für diese Beurteilung weiter von Bedeutung, ob die Rechtsinhaber bereits für die Zustimmung zur ursprünglichen Sendung eine Vergütung erhalten?